Autos und Fleisch: Die Statuswelt der „normalen“ Deutschen
Rasen ohne Geschwindigkeitsbegrenzung und Discounter-Fleisch auf dem High-End-Grill. Mehr braucht der „normale“ Deutsche offenbar nicht um glücklich zu sein.
Wider der menschlichen Vernunft
Schon die Sache mit den Geschwindigkeitsbegrenzungen, die in allen anderen Ländern um uns herum gang und gäbe sind, widerspräche dem „gesunden Menschenverstand“ wie man sogar aus dem Verkehrsministerium.
Dabei ist in ausnahmslos allen Ländern die Menge der Verkehrsunfälle und der dadurch getöteten und verletzten sowie daran Beteiligten Personen zurückgegangen.
Nur in Deutschland gehören Tote und Verletzte zur „normalen“ Verkehrsnutzung.
Doch sowas ist Thema eines anderen Blogs, welches sich ausgiebig mit Verkehrsthemen beschäftigt.
An dieser Stelle nur mal der Einstieg in einen Twitter-Thread, der uns mal vorrechnet, was wir alles ignorieren, wenn wir mal wieder irgendwo von einem „Unfall“ lesen:
1/x Warum ich die Gründe GEGEN ein #Tempolimit nicht mehr als Argumente bezeichne, sondern als egoistisches Verhalten.
— She Drives Mobility 🏡🇪🇺 (@kkklawitter) February 3, 2020
Ein Thread.
370.075 Menschen waren 2019 von Verkehrsunfällen betroffen.
3.275 von ihnen starben sogar.
Wie ich auf diese Zahlen komme?
Bitte folgen Sie mir!
Teurer Grill und billiges Fleisch
Der Hang der „normalen“ Deutschen, sich mit seinen Besitztümern zu profilieren, treibt aber nicht nur bei Verkehrsthemen so seine Blüten, sonder trifft eigentlich auf alle anderen Gebiete des Lebens genauso zu:
Die Waschmaschine ist meistens teurer als das Waschgut.
Verkäuifer in einem Elektromarkt
Bekleidung soll aussehen als wäre man ein Superstar, kommt aber am bestens aus dem Primark und hält eh nicht viele Wäschen aus, dafür können wir uns aber tonnenweise davon leisten im Gegenstaz zu jenen die sie nähen.
Denen fehlt im übrigen auch zumeist die Freizeit um solche Klamotten überhaupt anzuziehen und ich behaupte mal die traditionelle Kleidung der Länder in denen so etwas häufig genäht wird, ist auch irgendwie tatsächlich haltbarer als der Kram der dort hergestellt wird… und muss aus der Not heraus auch deutlich länger getragen werden.
Die Deutschen haben keine Esskultur. Schon der römische Historiker Tacitus hat sinngemäß geschrieben: Die Germanen ernähren sich sehr einfach. Wenn man sie nicht mit Waffen besiegen könne, müsse man ihnen nur Bier geben, bis sie umfallen. Die vergleichsweise geringe Wertschätzung für gutes Essen hat sich bis heute gehalten.
Johann Cristoph Klotter, Professor für Gesundheits- und Ernährungspsychologie an der Hochschule Fulda
Wie bei der heiligen Kuh, dem Auto, spielt Geld beim Kauf eines Grill auch eine eher untergeordnete Rolle und Elektro Grillen ist genauso verpönt wie Elektro-Autos.
Hauptsache der Grill schafft es genug „leckeres“ Grillgut zu verbrutzeln und er lässt die Männerherzen (bei „normalen“ Deutschen ist das immer noch Männersache, wie das Auto) höher schlagen.
Das dazu tonnenweise herbeigeschaffte Grillgut aus dem Discounter (Fleisch möchte ich jetzt nicht unbedingt dazu sagen) darf aber nicht zu teuer werden, muss aber in großer Stückzahl vorhanden sein (wahrscheinlich auch um den Größenverlust beim Grillen wieder aufzufangen).
Dazu versichert man sich immer wieder wie lecker das doch sei…
In vielen Gastronomiebetrieben und auch an vielen Fleischtheken in Supermärkten sind die Quellen der feilgebotenen Ware keine anderen, als die der Grillgut-Käufer beim Discounter.
Wie soll man auch sonst etwas verdienen?
Das Schnitzel „Wiener Art“, also die billige Variante aus Schweine- statt Kalbsfleisch, kostet derzeit im Berliner „Hofbräu“ mit Beilagen, Bedienung und Sitzplatz 14,90€, was sicherlich von vielen schon als „teuer“ empfunden wird, wenn man eben alle Kosten ignoriert:
Miete, Strom, Bezahlung für Bedienung, Koch und Barpersonal, Reinigung, Geschirr etc.
Wie viel bleibt da noch für das Fleisch übrig, wenn man noch was verdienen will? Richtig. Fast nix.
Da wird sehr oft schon an den Personalkosten so viel wie möglich gespart…
Wir verdrängen die sozialen und ökologischen Kosten des Fleischessens. Es ist ja nicht nur die Massentierhaltung vor der eigenen Haustür. Das Futter, das oft in Südamerika angebaut wird, verbraucht dort eine Fläche so groß wie Deutschland, Frankreich und die Benelux-Länder zusammengenommen – das war alles mal Regenwald.
Johann Cristoph Klotter, Professor für Gesundheits- und Ernährungspsychologie an der Hochschule Fulda
Umdenken – wie früher machen
Grundsätzlich bin ich auch kein heiliger Fleisch-Verweigerer, aber ich esse tatsächlich weniger Fleisch, als ich das in früheren Jahren getan habe, dafür aber ausgewählter und bewusster:
Der Burger aus der Schnellrestaurant-Kette hat bei mir z.B. komplett ausgedient, da gehe ich lieber zu einer der vielen in Berlin ansässigen Burger-Braterereien, die sehr oft ihr Fleisch aus dem Umland und/oder sogar Bio-Betrieben beziehen.
Wurst kaufe ich entweder als Bio-Wurst oder seltener auch mal vom Wurst-Tresen im Supermarkt, da ist die Auswahl an Wurstsorten leider noch größer.
Zu Hause kommt schon länger nur Bio-Fleisch auf den Grill/in die Pfanne. Dafür eben seltener.
Flankiert wird das ganze dann eben auch z.B. von Bio-Gemüse als Beilage und nach dem Mahl kann man dann wirklich von sich sagen, dass es lecker gewesen sei.
Viel zu teuer!
Nein. Das am Ende eben nicht teuer. Das ist mehr Genuss.
Esst mal zum Vergleich ein billiges Supermarkt-Ei und das „teure“ Bio-Ei und jedem, dessen Geschmacksknospen noch nicht ganz verkümmert sind, wird bemerken, was ich meine…
Dazu kommt, man bedenke nur die derzeitige Pandemie, dass die Form der Massentierhaltung, die wir benötigen um dieses Billig-Erzeugung aufrecht zu erhalten, zu eben dieser und auch weiteren Pandemien geführt hat und führen wird.
Gleichzeitig ist deutsches Billigfleisch auch gleichzeitig nur mit modernen Formen der Sklavenarbeit, genannt „Werkverträge“ möglich, es müssen also zusätzlich zur Natur eben auch Menschen ausgebeutet werden.
Wir alle können perfekt verdrängen. Alles, was wir nicht wissen wollen, schieben wir weg. Wir schauen mit erschrockenen Augen den Fernsehbericht über Tönnies an, gehen danach zum Kühlschrank und holen das plastikverpackte Hühnchen raus für ein schnelles Abendessen. Wir denken in Konstrukten, die völlig widersprüchlich sein können, aber finden das stimmig. Ich kann mich als Tierfreund sehen, weil ich meinen Hund liebe, aber esse gleichzeitig Billigfleisch und schiebe weg, dass dafür Tiere leiden und sterben müssen.
Johann Cristoph Klotter, Professor für Gesundheits- und Ernährungspsychologie an der Hochschule Fulda
Es muss eben auch nicht täglich Fleisch sein und eben auch nicht immer „billig“.
Wenn neben dem Gedanken der schieren Ernährung auch einfach mal Platz für Gesundheit und Geschmack gelassen wird und man sich einfach mal mehr Gedanken um das Essen an sich macht, funktioniert das auch mit weniger Geld.
Dabei ist es gar nicht so wichtig immer auf „dem rechten Pfad“ zu bleiben, sondern ihm einfach deutlich häufiger zu folgen, denn am Ende ist es der Kunde, der über das Angebot entscheidet.
Jaja, Arbeit, Zeit, kein Geld, bla bla…
Widerreden die sich auf „kein Geld“, „keine Zeit“, „lange Arbeitszeit“, „viele Kinder“ und ähnliches beziehen, sind leider oft nur vorgeschoben oder nur halb richtig, denn letztlich entscheidet jeder für sich, was er wirklich will.
Und auch bei einem knappen Budget und wenig Zeit findet sich Zeit und Platz um über Änderungen nachzudenken und im Rahmen seiner Möglichkeiten auch mal was anderes umzusetzen.
Wer aber eh nicht will, mag sich gerne weiter auf diese Argumente zurückziehen und seinen Hund verwöhnen, während anderswo Hühner manchmal bis zum Schlachttag keine Tageslicht in ihrem kurzen Leben sehen…
Dazu gehört es durchaus auch, Statussymbole zu überdenken:
Urlaub, Auto, Haus, Fleisch, großer Fernseher, schicke Markenklamotten, Smartphone und was auch immer sonst….
Brauchen wir wirklich so viel davon? Ist nicht vieles einfach nur Unfug?
Man wird mich wohl zu den „Besserverdienenden“ zählen, die mich allerdings auch schräg ansehen, wenn sie realisieren, dass ich kein Auto besitze, nicht in den Urlaub fliege und bei jeder Gelegenheit die Koffer packe und mir lieber ein T-Shirt aus Bio-Baumwolle kaufe als eins von < hier beliebiges Modelabel einfügen>.
Weniger, dafür aber in irgendeiner Form bessere/sinnvollere Besitztümer, dass ist meine Form von Statussymbolen.
Und eben weil es so gar nicht dazu passt, sammele ich Lego-Minifiguren aus Plastik, während ich im sonstigen Leben versuche Plastik zu vermeiden.
Kein Mensch ist vollkommen.