Zeitungen im Netz: Paywalls ohne Verstand
Immerhin: Zeitungen haben den Weg ins Internet gefunden!
Doch ihre berechtigten Versuche sich das bezahlen zu lassen, schlagen mehrheitlich völlig fehl.
Journalismus muss bezahlt werden!
Journalismus, erst recht guter, muss bezahlt werden und hat seinen Preis.
Dieser Punkt steht gar nicht zur Debatte, man kann die Zeitung ja auch sonst nicht einfach umsonst vom Kiosk mitnehmen.
Journalisten sollen den Kühlschrank mit ihrer Arbeit auch füllen können und unabhängig genug sein um für die Story, die sie wirklich interessiert, auch mal Ressourcen verwenden zu können. Das wäre der ideale Fall.
Zeitungen werfen aber, meiner Meinung nach, noch zu viele Ressourcen in ihre sinkenden Printauflagen und administrieren ihre Online-Ausgaben oft eher stiefmütterlich.
Das fällt einem auch jeden Tag ins Auge:
Es vergeht kein Tag an dem man nicht schon z.B. bei Google-News oder jedem beliebigen anderen Feed-Aggregator schon in den Überschriften Grammatik- und Schreibfehler findet, die einem früher die Bleisetzer mitsamt der Druckplatte um die Ohren gehauen hätten!
Das liegt auch daran, dass Online-Redakteure manchmal eher keine echten Journalisten sind, sondern Menschen, die einfach eine dpa- oder Reuters-Meldung umtippseln, damit man meint die Zeitung wäre selbst vor Ort gewesen.
In den Agentur-Meldungen selber, die ja auch manchmal zu 100% so wiedergegeben werden, finden sich da weniger solche Fehler.
Was wir Kunden erleben
Ich gebe ja zu, dass ich seit Jahren schon keine Tageszeitung mehr am Kiosk kaufe, denke aber, das die Tageszeitung einer Region wohl kaum mehr als 5 € kosten wird, sondern eher weniger.
Dafür erwerbe ich da Recht die komplette Ausgabe des Tages beliebig oft zu lesen und hinter einen Fisch darin einzuwickeln, Hüte daraus zu basteln oder damit den Ofen anzuheizen. Alles okay.
Wenn mich da ein Artikel aus einer anderen Zeitung interessiert, kaufe ich die Ausgabe halt auch mal, wenn ich nun schon im Kiosk stehe und verlasse den Laden anschließend mit mehreren Zeitungen, aber weiterhin ohne weitere bindenden Verpflichtungen.
Wohnt man in einer Region in der es mehrere Tagesszeitungen gibt, wie etwa hier in Berlin, sitzt man also dann mit vielleicht 4 Zeitungen zu Hause im Lesezimmer und liest, sehr wahrscheinlich, eine eher komplett und die anderen eher selektiv, denn was die Tagesereignisse angeht, haben die Werke vielleicht unterschiedliche Meinungen, aber geben ja doch dieselben Tatsachen wieder. Hoffentlich.
Man liest also eher die differierenden Kommentare oder Artikel zu Themen die woanders nicht drin stehen, also bei mir speziell Artikel rund um Verkehr und Klima.
Dafür habe ich an diesem Tag vielleicht auch 9,99 € bezahlt. Aber eben ohne weitere Verpflichtung.
Wenn ich dasselbe im Internet probiere, so bekomme ich durchaus kostenlos alle Infos des Tages, aber sobald die Berichte spezieller im Thema werden, steht man häufig vor einer Paywall und erfährt nun nicht mehr, was z.B. der Verkehrsminister heute wieder gesagt hat (nicht das der jemals was relevantes sagen würde…).
Natürlich, man kann das Lesen, aber es hat einen gewaltigen Preis: Mittlerweile will (fast) jeder dafür gleich ein Monatsabo abschließen, also auch die Stuttgarter Zeitung, die ich vielleicht nur wegen eines Artikels der interessant klang angeklickt habe.
Würde man dem nachgeben, hätte ich bestimmt schon Zeitungsabos für rund 200 € im Monat!
Wir gehen mal zurück in den Kiosk und stellen uns vor der Zeitungsmann sagt uns beim Erwerb von vier Tageszeitungen an der Kasse: „Macht 39,96 € für 4 mal ein Monatsabo. Können sie dann ja kündigen…“.
Er könnte wohl seinen Laden schließen.
Grund ist ein fehlendes, aber im Netz längst existierendes Micropayment-System, welches erlaubt auch einzelne Artikel kaufen zu können, was speziell bei den Zeitungen aber als „Teufelszeug“ zu gelten scheint.
Abschreckende Wirkung
Der entstehende Effekt ist einfach, aber logisch: Anstatt irgendeinen Kunden zu gewinnen, der etwa für einen Artikel bezahlt, wird die absolute Mehrheit abgeschreckt und kauft gar nichts. Auch nicht die Printausgabe.
Diese Artikel teile auch ich nicht mehr im Netz in sozialen Medien, weil ich ja nicht genau weiß, was darin steht. Werbung also auch futsch.
Tatsächlich bezahle ich als Unterstützer einen monatlichen Beitrag bei der Berliner taz, die ich sporadisch lese und die mit den freiwilligen Beiträgen ihrer Nutzer dafür sorgt, dass Menschen, die das Geld dafür nicht übrig haben, oder eben nur mal den einen Artikel lesen wollen, diesen auch weiterhin völlig kostenlos lesen dürfen. Prima!
Dazu habe ich notgedrungen eines dieser 9,99 €-Abos beim Berliner Tagesspiegel, der meiner sporadischen Leseweise immerhin mit sinnvollen Newslettern zum Querlesen und Entdecken entgegen kommt. Für irgendwas musste man sich ja entscheiden.
In der Konsequenz gehen alle anderen definitiv leer aus.
Lustiger Quatsch ist ja vor allem auch die Berliner Morgenpost, die es erschwert ihre Artikel-Überschriften zu kopieren, um sie etwa für einen ordnungsgemäßen Quellnachweis unter einen Blogpost zu schreiben und korrekt zu verlinken.
Gut, sagt sich so der Hobby-Blogger mit begrenztem Budget: Dann kommt eben nix mehr aus dieser Quelle…
Das es anders funktioniert beweisen derweil die taz und auch eine Seite wie Stiftung Warentest, bei denen es möglich ist auch einen einzelnen Artikel gezielt zu bezahlen und dann online oder als PDF zu lesen so lange man es eben will.
Die Wirkung
Zeitungen brauchen sich am Ende also eigentlich nicht wundern, dass viele Leute ihre Informationen aus oft eher dubiosen Internetquellen beziehen, weil diese schlicht nichts kosten.
Auch sonst kann man sich über die Ereignisse des Tages eigentlich nur noch bei ARD und ZDF kostenlos einen Überblick verschaffen, weil viele Zeitungen bei allem, was eher unter Hintergrundberichterstattung fällt, sich ihre Arbeit gleich mit Monatsabos bezahlen lassen wollen, die der Einzelne in der Regel gar nicht will um sich einmalig über ein Thema zu informieren.
Auch für einen Hobby-Blogger wie mich bedeutet das, dass Artikel und Meinungen weniger vielfältig dargestellt werden können, weil ich bestimmte Dinge nur mit anderen Argumenten unterlegen kann, wenn ich eine Quelle dafür finde.
Und die kostet gleich 9,99 €/Monat ohne das ich weiß ob sich das überhaupt lohnen wird…
Liebe Zeitungen: Warum also genau ist es eigentlich nicht möglich einzelne Artikel für sagen wir von 0,99 € bis 2,50 € (etwa für eine mehrseitige Reportage) einzeln zu erwerben und zu lesen?
Ich würde damit viel mehr Umsätze bei euch generieren als bisher… und ich denke ich bin da nicht alleine!